Die 2010er

Die 2010er

  • Mit „Real Men Score“ bewarb ein internationaler Kosmetikkonzern seinen neuen Herrenduft. Die bundesweit auf Plakaten, im Internet sowie in zahlreichen Kaufhäusern und Geschäften geschaltete Kampagne provozierte eine Vielzahl an Beschwerden. Die Werbung zeigte einen Mann, der gerade aus einem Schwimmbecken steigen will, vor ihm stehend eine Frau mit gespreizten Beinen in Bikinihose. Für den Betrachter ist die nur bis zur Hüfte abgebildete Frau von hinten zu sehen; der Mann schaut intensiv an der Frau hoch. Dieses Motiv fanden die Beschwerdeführer frauenherabwürdigend, da zum einen der Unterkörper der Frau zur Schau gestellt werde. Zudem werde suggeriert, dass Männer, die das beworbene Parfum benutzen, als „real men“ sexuellen Erfolg bei Frauen hätten. Nach Intervention des Deutschen Werberats sagte die Konzernzentrale in Frankreich zu, die Internet- und Plakatwerbung zu stoppen sowie die In-Store-Motive zurückzuziehen.
     
  • Der Entsorgungsservice einer großen Handelsgruppe warb für seine Dienste mit dem Hinweis, ausgefallene Sonderwünsche mancher Kunden nicht erfüllen zu können. Ein dazugehöriger Werbetext lautete: „5 Dinge, die unser Mitnahme-Service nicht mitnehmen kann – Ehefrauen“. Die Beschwerdeführer empfanden diese Aussage als (ehe-) frauendiskriminierend und herabwürdigend: Sie würden mit Altgeräten bzw. Müll gleichgesetzt. Vom Werberat zur Stellungnahme aufgefordert, stoppte das Unternehmen die Werbung.
     
  • Im Werbespot eines Lebensmittelunternehmens für vegetarische Produkte fragte ein kleines Mädchen seine Mutter „Kann ich noch mehr Wurst?“, woraufhin die Mutter das Kind korrigierte: „Das ist keine Wurst.“ und das Mädchen konterte: „Kann ich noch mehr keine Wurst?“ Zuschauer waren besorgt, Kinder könnten auf diese Weise zu einer unkorrekten Sprachverwendung verleitet werden. Der Kritik schloss sich der Werberat nicht an: Durch das Wortspiel „noch mehr keine Wurst“ werde zum einen verdeutlicht, dass es sich um ein vegetarisches Produkt handele. Zum anderen sei eine solche Ausdrucksweise oder falsche grammatikalische Verwendung bei kleinen Kindern nichts Unübliches: Eine ‚Nachahmungsgefahr‘ sah der Werberat nicht als gegeben an.
     
  • Eine Klinik für Schönheitschirurgie warb auf Plakaten für eine Brustvergrößerung mit dem Gesicht einer sehr jung aussehenden Frau. Bei Passanten erweckte das Motiv den Eindruck, Minderjährige würden zu plastischen Eingriffen animiert und sie beschwerten sich bei der Selbstkontrolleinrichtung. Nach Kontaktaufnahme durch den Werberat zog das werbende Unternehmen die Plakatwerbung zurück. Obwohl die abgebildete Frau bereits volljährig war, wollte das Unternehmen jedes Missverständnis in Bezug auf das Alter des Models bei diesem sensiblen Thema vermeiden.
     
  • Eine Einzelhandelskette warb mit dem Motto „Zurück zur D-Mark“ im Stil der 50er Jahre. Im gesamten Prospekt wurde ein veraltetes Frauen-, aber auch Familienbild gezeigt. Entsprechend klischeehaft lauteten die Slogans wie beispielsweise: „Lieblich wie der Wein sollte auch die Gattin sein“. Den Werbeprospekt kritisierten die Beschwerdeführer als frauendiskriminierend. Der Werberat teilte diese Ansicht nicht: Für die Betrachter sei klar ersichtlich, dass es sich um ein veraltetes Rollenbild handele, das hier vorgeführt würde.
     
  • Auf Plakaten warb ein Soziales Netzwerk mit dem Bild einer jungen Frau, die ihr Bedauern darüber ausdrückt, etwas gepostet zu haben, was sie nun bereut. Beschwerdeführer sahen die Gefahr, dass private oder vertrauliche Inhalte sorglos ins Internet gestellt werden könnten, da es ja im Nachhinein möglich sei, so die Werbung, dies einfach wieder zu löschen. Der Werberat bewertete dies nicht so. Bei einem Posting seien sich die Nutzer darüber im Klaren, dass ihr Eintrag ab dem Moment von vielen Menschen gelesen werden könnte. Das Soziale Netzwerk werbe damit, dass Inhalte trotz erfolgter Veröffentlichung wieder gelöscht werden könnten, behaupte aber nicht, die Postings generell ungeschehen machen zu können.
     
  • Mehrere Beschwerden erreichten den Werberat zu der Plakatwerbung für das Album einer Heavy-Metal-Band. Die Beschwerdeführer machten geltend, die großformatige Abbildung der Zombiefigur des Plattencovers des beworbenen Albums könne Minderjährige verängstigen und verstören. Dies gelte umso mehr, als die Plakate vielfach im unmittelbaren Umfeld von Grundschulen angebracht seien. Vom Werberat aufgefordert, teilte das Unternehmen mit, diese Werbung nicht fortzusetzen.
     
  • Im Video-Spot einer Einzelhandelskette täuschte der Großvater seinen eigenen Tod vor, um seine Kinder und Enkelkinder zu Weihnachten zusammenzubringen. Die Beschwerdeführer empfanden den Clip als Unglück und Leid instrumentalisierend. Der Deutsche Werberat stimmte zwar zu, dass der Werbespot emotionale Reaktionen hervorrufe, beanstandete ihn aber nicht – der Spot rufe vielmehr zu Menschlichkeit und Warmherzigkeit an Weihnachten auf.
     
  • Eine erhebliche Zahl von Beschwerden mit unterschiedlichen Kritikpunkten zog der TV-Spot eines Energieanbieters auf sich. Der Slogan zum Spot: „Um einen iPad Air zu bekommen, können Sie entweder ein gebrauchtes Höschen Ihrer Frau im Internet verkaufen oder zu … Strom wechseln“. Der Werberat beanstandete nicht: Ungewöhnliche sexuelle Vorlieben würden im Spot nur angedeutet und nicht praktiziert. Frauenherabwürdigende Elemente stellte der Werberat in dem Spot nicht fest, Kindern und Jugendlichen wiederum könnte die eher skurril wirkende Szenerie durchaus erklärt werden.
     
  • In einem TV-Spot mit zwei Kindern und zwei Vätern sahen die Kritiker ihre religiösen Gefühle verletzt, weil aus ihrer Sicht zwei homosexuelle Menschen keine Familie gründen könnten. Die Bezeichnung „Familie“ für die Darsteller der verschiedenen Spots würdige christliche Familien aus Vater, Mutter und Kind(ern) herab und entwerte diese. Eine Verletzung religiöser Gefühle vermochte der Werberat nicht erkennen, da lediglich der Begriff der „Ehe“ religiös geprägt sei, aber nicht der Begriff „Familie“.
     
  • „Blumen sind nett. Rasen ist geil!“ Unter diesem Motto zeigte eine Autovermietung das „Blitzer-Foto“ einer süffisant lächelnden Frau, die offensichtlich mit Geschwindigkeitsüberschreitung fuhr. Die Beschwerdeführer sahen darin eine inakzeptable Aufforderung, gegen die Straßenverkehrsordnung zu verstoßen und andere zu gefährden. Nachdem das Gremium das Werbemotiv beanstandete, zog das Unternehmen die Werbung zurück.
     
  • Kritisiert wurde der TV-Spot eines Schokoladenherstellers: Eine Stewardess kann der auf dem Tisch eines schlafenden Fluggastes liegenden Schokolade nicht widerstehen und „stibitzt“ ein Stückchen. Das kritisierte ein Beschwerdeführer als Verharmlosung und Billigung einer Straftat. Dieser Definition und Interpretation konnte sich der Werberat nicht anschließen.
     
  • Eine sehr korpulente Frau in rosafarbenem Hasenkostüm sitzt an einem Finger lutschend im Gras. Dazu der Werbetext: „Diese Woche gibt’s zwei XL-Angebote“. ‚Entwürdigend und geschmacklos‘ befand der Beschwerdeführer, der den Werberat einschaltete und auf den sofortigen Stopp dieser Anzeigenwerbung drängte. Der Autoreifen-Händler entschuldigte sich und sagte zu, seine Werbung künftig kritischer im Hinblick auf die Verhaltensregeln des Deutschen Werberats gegen Herabwürdigung und Diskriminierung von Personen zu überprüfen.
     
  • Seinen Wurst-Snack bewarb ein Lebensmittelhersteller mit einem TV-Spot, in dem ein kleiner Junge im „Superman-Cape“ unter den Augen seiner Freunde mit dem Fahrrad eine Rutsche hinabfährt. Er stürzt, bleibt aber unversehrt und stärkt sich mit seinem in der Hosentasche aufbewahrten Wurst-Snack. Die Botschaft des Spots: „Der Snack, der alles mitmacht“. Die Beschwerdeführer äußerten die Befürchtung, der Spot könnte Kinder dazu verführen, das gezeigte gefährliche Verhalten nachzuahmen. Auf Intervention des Deutschen Werberats entschloss sich das werbende Unternehmen, den Spot um die betroffene Szene zu kürzen.
     
  • In einem TV-Spot klärt ein als Arzt verkleideter Schauspieler die Zuschauer über den vermeintlichen Vorteil des beworbenen Traubenzucker-Produkts gegenüber einer Banane auf. Diese könne niemals „direkt ins Blut gehen“, da sie krumm und der direkte Weg niemals eine Kurve sei. Der Werberat wies die Kritik zurück, es werde suggeriert, das künstlich hergestellte sei das bessere Produkt. Die „Beweisführung“ entbehre ganz offensichtlich jeder wissenschaftlichen Grundlage. Es sei dem Verbraucher zuzutrauen, die unechte Situation und den komödiantischen Charakter des Spots zu durchschauen.
     
  • In einer Fernsehwerbung wird einer Katze ein Speicher-Chip in den Nacken gesteckt, woraufhin sich diese in eine Rakete verwandelt. Nach Ansicht des Beschwerdeführers zeigte der Spot tierquälerische Handlungen, verbunden mit der Gefahr der Nachahmung durch die Zuschauer. Das sah der Werberat nicht so: Bei der Szene handele es sich offensichtlich um eine Computeranimation. Eine Gefahr, dass durch den Spot Tierhalter auf die Idee kämen, ihrem Haustier ebenfalls einen Chip einzusetzen, sei nicht gegeben.
     
  • Eine Bank warb auf Plakaten um Auszubildende mit einer bildlich dargestellten „Karriereleiter“. Oben auf der Leiter standen zwei Männer im Anzug, während sich auf den unteren Stufen und auf dem Boden fünf weniger formell gekleidete Frauen befanden. Die Werbemaßnahme sei frauendiskriminierend und suggeriere, dass die besseren beruflichen Positionen Männern vorbehalten seien, kritisierten mehrere Beschwerdeführer. Der Werberat konfrontierte das werbende Unternehmen mit der Kritik und erreichte die sofortige Rücknahme der Werbung.
     
  • Ein Getränkehändler warb zu Beginn des Schuljahres in einem Prospekt für sein Angebot alkoholhaltiger und nicht alkoholhaltiger Getränke unter der Überschrift „Wir wünschen einen guten Schulstart“ mit der Abbildung mehrerer Schüler mit erhobenen Daumen. Die Beschwerdeführer sah darin eine unzulässige Ansprache von Minderjährigen. Nach Einschreiten des Werberats wurde die Werbemaßnahme gestoppt.
     
  • In einem TV-Spot für Zahnpasta wurde ein Paar beim Spaziergang gezeigt, beide umarmten sich und die Frau leckte dem Mann mit ihrer Zunge über die Schneidezähne. Die Kritik der Beschwerdeführer, die Szene sei anstößig und obszön, teilte der Werberat nicht. Dieser „Zungen-Test“ sollte verdeutlichen, dass das beworbene Zahnpflegeprodukt die Zähne lange sauber und glatt hält. Somit bestand ein klarer Bezug zur beworbenen Zahnpasta.
     
  • Ein Möbelhaus warb in einem Radiospot mit der Aussage: „Wenn deine Tochter im Teenageralter eine Taschengelderhöhung verlangt, weil sie immer noch nicht begriffen hat, dass eine Fünf nicht die beste Note ist, sollte sie dir damit vor allem eines zu verstehen geben: Nicht jeder kann die perfekten Gene haben, aber ein perfektes Zuhause…“ Die Beschwerdeführer waren der Ansicht, der Spot würdige leistungsschwache Kinder herab und gebe sie der Lächerlichkeit preis. Vom Werberat zur Stellungnahme aufgefordert, teilte das Unternehmen mit, den Spot nicht mehr zu schalten.
     
  • Ein Beschwerdeführer empfand die Werbung eines Online-Seitensprungportals als rassistisch. Auf Plakaten griff das Unternehmen den vermeintlichen Trend auf, dass sich deutsche Männer von den Nörgeleien ihrer Ehefrauen genervt fühlten und sich eine attraktive türkische Geliebte nähmen. Mit dem Vorwurf aus der Bevölkerung konfrontiert, teilte das werbende Unternehmen mit, das kritisierte Plakat nicht weiter zu verwenden. Der Werberat konnte das Verfahren einstellen.
     
  • Eine Supermarktkette bewarb die von ihr vertriebenen Kindersitze und deren komfortable Form in einer Anzeige mit der Abbildung eines auf dem Rücksitz eines Fahrzeugs schlafenden Kindes, das nicht angeschnallt war. Der Werberat teilte die Auffassung des Beschwerdeführers, dass die Werbemaßnahme zur Nachahmung eines derartigen gefährlichen Verhaltens anregen könne und forderte das werbende Unternehmen zur Stellungnahme auf. Daraufhin wurde die Werbemaßnahme eingestellt.
     
  • Ein Elektronikhändler verwendete kampagnenübergreifend den Slogan „Geil ist geil“. Viele Beschwerdeführer kritisierten den Text als niveaulos und unnötig sexualisierend. Der Werberat lehnte die Beschwerden ab: Das Wort „geil“ sei längst Teil der Alltagssprache – unabhängig davon, ob man diese Tatsache als gut oder schlecht einstufe. Es bleibe deshalb den Unternehmen überlassen, das Wort in ihrer Werbung zu verwenden.
     
  • In einem TV-Spot bewarb ein Telekommunikationsanbieter den Kostenschutz seiner Handytarife mit einem Goldfisch, an dessen Schwanzflosse mit einem Bändchen ein kleines Schild befestigt war. Das Unternehmen versicherte, der Fisch stammte aus dem Refugium eines zertifizierten Tiertrainers, der über eine Erlaubnis nach dem Tierschutzgesetz verfügt. Er hatte das Tier über drei Wochen auf den Dreh vorbereitet. Der Fisch sei über diesen Zeitraum langsam an das nicht einschneidende, ultraleichte Bändchen gewohnt worden. Vor diesem Hintergrund wies der Werberat die Kritik der Tierquälerei zurück.
     
  • Ein Optiker warb mit der Abbildung eines nackten Frauengesäßes, das von zwei Händen umfasst wird und dem dazugehörigen Werbetext: „90-60-90 für alle! Jetzt zugreifen!“. Die Beschwerdeführer empfanden diese Werbemaßnahme als sexistisch und Gewalt gegenüber Frauen verharmlosend. Nach der Beanstandung durch den Werberat wurde die Werbemaßnahme eingestellt.
     
  • Ein Tourismusunternehmen warb in Anzeigen für Wochenendveranstaltungen mit dem Slogan: „Meld Dich Montag einfach krank.“ Mehrere Beschwerdeführer hielten es für nicht hinnehmbar, dass ein Unternehmen in seiner Werbung Arbeitnehmer zu missbräuchlichem Verhalten gegenüber ihren Arbeitgebern auffordere. Der Werberat schloss sich der Kritik an – die Tourismusfirma stoppte die Anzeigenschaltung.