- Rückläufige Beschwerdezahlen beim Deutschen Werberat zeigen: Unternehmen agieren noch sensibler
- Motive oder Slogans auf Kosten anderer sind gesellschaftlich und werblich nicht mehr zeitgemäß
- Durchsetzungsquote bleibt mit 91 Prozent auch im 51. Jahr des Bestehens der Werbeselbstregulierung konstant hoch
BERLIN, 29.03.2023 (dwr) – 1.008 Personen, Institutionen oder Kampagnenorganisationen wandten sich 2022 an den Deutschen Werberat, 30 Prozent weniger als 2021. Die Zahlen spiegeln die gewachsene Sensibilität der Unternehmen bei ihren Werbemaßnahmen wider: Herabwürdigende oder diskriminierende Pointen auf Kosten anderer sind in der Werbung – wie in der Gesellschaft – nicht mehr akzeptiert. Dies belegt auch die rückläufige Rügenzahl mit 8 in 2022 zu 14 im Vorjahr. Die Selbstregulierungseinrichtung der Werbewirtschaft musste im Vorjahr über 398 Fälle und damit 24 Prozent weniger als 2021 entscheiden. In den eingeleiteten Verfahren folgten 91 Prozent aller Unternehmen dem Votum des Gremiums und stoppten oder änderten ihre Werbung, sobald der Werberat diese beanstandet hatte. Die hohe Durchsetzungsquote des Werberats belegt erneut die branchenübergreifende Akzeptanz in der Wirtschaft. Der Deutsche Werberat blieb auch 2022 die gefragte Anlaufstelle für Bürgerbeschwerden zu Werbeinhalten.
Den Bürgern ist es weiterhin wichtig, die Selbstkontrolleinrichtung zu kontaktieren, wenn Werbung als unangemessen empfunden wird. Das Verfahren ist schnell, kostenlos, unkompliziert und im Sinne der Beschwerdeführenden durchsetzungsstark, auch wenn die kritisierte Werbung rein rechtlich gesehen nicht zu beanstanden ist. Die Verbraucher wandten sich auch 2022 mit den unterschiedlichsten Anliegen an den Werberat in Berlin: Sie empfanden es als diskriminierend, wenn bestimmte Bevölkerungsgruppen nicht in der Werbung vertreten waren, andere sahen den vermeintlichen Mainstream zu wenig abgebildet, wieder andere ihre religiösen Gefühle verletzt oder Kinder in ihrer Entwicklung gefährdet. Von den 436 geprüften Motiven oder Spots lagen 38 Fälle nicht im Zuständigkeitsbereich des Werberats, da es sich beispielweise nicht um Wirtschaftswerbung handelte. Auch richteten sich einige Beschwerden gegen Produkte oder Dienstleistungen selbst, nicht aber gegen deren Werbung.
Von Kritik freigesprochen wurden im Bilanzjahr 313 von 398 Werbemotiven, da kein Verstoß gegen die Verhaltensregeln des Deutschen Werberats festzustellen war. In 85 Fällen dagegen kontaktierte der Werberat die werbenden Unternehmen zur geäußerten Bürgerkritik sowie dem geltend gemachten Verstoß gegen den Kodex des Werberats. 77 Werbekampagnen wurden von den betreffenden Unternehmen daraufhin zurückgezogen oder geändert – damit folgten 91 Prozent der kontaktierten Unternehmen der Werberatsentscheidung. Dies ist ein deutlicher Beleg für die Effizienz des Systems der Werbeselbstkontrolle.
Lediglich in 8 Fällen waren die Unternehmen nicht einsichtig, so dass der Werberat Öffentliche Rügen aussprechen musste. Diese verhängte der Werberat 2022 – wie schon im Vorjahr – ausschließlich zu sexistischer Werbung und an kleine oder mittlere Unternehmen, deren kommerzielle Kommunikation nicht immer professionell begleitet wurde.
Katja Heintschel von Heinegg, Geschäftsführerin des Deutschen Werberats, kommentiert die Bilanz 2022: „Die Gesellschaft ist für die Belange und Gefühle anderer Personengruppen noch aufmerksamer geworden. Unternehmen agieren bei der Konzeption und Umsetzung ihrer Werbemaßnahmen entsprechend sensibler. Sie verzichten auf Motive oder Slogans, die auf Kosten anderer gehen oder durch die sich Menschen verletzt fühlen könnten. Die Beschwerdebilanz des Jahres 2022 spiegelt diese Entwicklung wider.“
Werberat setzt Leitplanken
Den Deutschen Werberat auf seine Funktion als Beschwerdestelle zu reduzieren, wäre zu kurz gegriffen. Auf www.werberat.de informiert er mit dem abrufbaren Leitfaden zum Werbekodex über das Thema verantwortungsvolle Werbung. Diese Leitplanken wirken bereits bei der Kreation von Werbemaßnahmen. Mit regelmäßigen Informationen und in Schulungen wird die Branche so sensibilisiert, dass Werbemaßnahmen, die gegen die Verhaltensregeln des Werberats verstoßen, meist gar nicht erst entstehen.
50 Jahre Deutscher Werberat – 50 Jahre funktionierende Selbstkontrolle
Am 8. November 2022 feierte der Deutsche Werberat sein 50-jähriges Bestehen mit zahlreichen Gratulanten. Einer von ihnen, Bundesjustizminister Marco Buschmann, schreibt: […] „Seit einem halben Jahrhundert stärkt der Werberat damit das Vertrauen in kommerzielle Kommunikation und zeigt mit dem Instrument der Selbstkontrolle: Der Staat muss nicht alles regeln. Der Deutsche Werberat ist damit ein leuchtendes Beispiel vernünftiger Selbstbestimmung.“
Thomas Hinderer, Vorsitzender des Werberats, zum Jubiläum: „50 Jahre erfolgreiche Selbstregulierung mit einer Durchsetzungsquote von 94 Prozent über die Jahrzehnte zeugen von der Effektivität der Werbeselbstregulierung. Der Werberat genießt hohes Ansehen in der Wirtschaft und gleichzeitig hohes Vertrauen in der Bevölkerung. Diesen Erwartungen auch in den kommenden Jahren gerecht zu werden, sehen wir als eine unserer zentralen Herausforderungen und Aufgaben an.“
Details zur Beschwerdestatistik 2022
Inhalte der Werbekritik
Wie in den Vorjahren war ‚Geschlechterdiskriminierende Werbung‘ mit insgesamt 211 Fällen auch 2022 der Hauptbeschwerdegrund, allerdings mit einem deutlichen Rückgang von 21 Prozent zu 2021 (266 Fälle). An zweiter Stelle und mit deutlichem Abstand folgten Fälle zu ‚Ethischen und moralischen Mindestanforderungen‘ (47 Fälle, -10 Prozent zu 2021). In diese Rubrik fällt ein breites Spektrum an Beschwerdegründen. Die entsprechenden Fälle werden vom Werberat anhand seiner „Grundregeln zur kommerziellen Kommunikation“ beurteilt.
Die ‚Diskriminierung von Personengruppen‘ lag wie 2021 an Position drei mit 42 Fällen (-9 Prozent). An vierter Stelle, und damit in der Statistik höher als im Vor-jahr, stand der Vorwurf der ‚Entwicklungsbeeinträchtigung Kinder und Jugendlicher‘ mit 23 Fällen (+10 Prozent).
Kritisierte Werbung nach Werbemitteln
Die höchsten Beschwerdezahlen bei den Werbemitteln gab es 2022 – wie schon in den Vorjahren – zur Online-Werbung, gefolgt von Plakaten (Print und digital), TV-Spots, Fahrzeugwerbung und zu Printanzeigen.
Zu 111 Fällen der Online-Werbung entschied der Werberat 2022 (2021: 156) – darunter fallen Soziale Netzwerke und Plattformen, unternehmenseigene Inter-netseiten, Video-, Display- und Mobile- bzw. App-Werbung. Mit 74 Fällen folgte die Plakatwerbung vor der TV-Werbung mit 70.
Jahrbuch „Deutscher Werberat 2023“ mit Sonderteil ‚50 Jahre Werberat‘ veröffentlicht
Das Jahrbuch liefert mit der Statistik 2022 und der Beschreibung von Beschwerdefällen viel Wissenswertes und Vertiefendes zur Werbeselbstregulierung in Deutschland wie auch in Europa.
Im Sonderteil zu 50 Jahren Werberat, die der Werberat am 8. November 2022 feierte, kommen beispielhaft einige Gratulanten zu Wort, die auch auf der Website nachzulesen und zu sehen sind wie Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann, die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Gesundheit, Lisa Paus, oder Michael Kellner, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.
Jahrbuch Deutscher Werberat 2023
98 Seiten, 5,00 EUR zzgl. Versandkosten
Studierende, Auszubildende: 2,50 EUR (mit Bescheinigung)
PDF-Datei kostenfrei auf Nachfrage
Bestellungen über werberat@werberat.de
Kontakt: Anne-Marie Grote
E-Mail: presse@werberat.de